Historisches

16. Jahrhundert

Ordnungen des Schulwesens durch Magistrate der Städte und Territorialherren in der Folge der Reformation, z.B.

1592 Herzogtum Pfalz-Zweibrücken

1589 Straßburg 

17. Jahrhundert

erste Ansätze von Schulpflichtregelungen

1642 Herzogtum Sachsen-Gotha, umfassende Schulreformen und Schulpflicht  unter Ernst I. 

1647 Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel

1649 Herzogtum Württemberg

18. Jahrhundert

1717  Preusen führt die Unterrichtspflicht ein

1774 Allgemeine Schulordnung (unter der Regentschaft von Kaiserin Maria Theresia (1717 - 1780), daher auch Theresianische Schulordnung, die eine Unterrichtspflicht vorsah.

1794 Preußisches allgemeines Landrecht (Auftrag durch  Friedrich II. (1712 - 1786), erlassen unter Friedrich Wilhelm II. (1744 - 1797): Die Schule ist eine staatliche Veranstaltung. Die Schulverwaltung blieb zunächst eine Aufgabe der Kirchenverwaltung

19. Jahrhundert

1808 Preußische Kommunalreform, Gemeinden dürfen eigene Schulen unterhalten.

Kirchen unterhalten eigene Schulen. Entwicklung eines privaten Schulwesens. Übergang der Schulverwaltung von der Kirchenverwaltung auf staatliche Behörden.

 

1835 Sachsen führt als letztes Land die Schulpflicht ein.

 

1850 Die preußische Verfassung sieht ein umfassendes Schulgesetz vor, das aber bis 1918 nicht zustande kommt.

20. Jahrhundert

Nach 1918: Preußen, Hamburg, Sachsen und Thüringen schaffen Schulgesetze und ermöglichen damit auch gerichtliche Klagen gegen schulische Entscheidungen. Die Weimarer Republik schafft ein Grundschulgesetz und das Gesetz über die religiöse Kindererziehung. Die Weimarer Reichsverfassung enthält in den Artikeln 143 -149 die Grundlagen eines deutschen Schulrechts und überträgt dem Reich das Recht, durch die Gesetzgebung Grundsätze für das Schulwesen aufzustellen und in diesem Rahmen die Reichsaufsicht über die Länder auszuüben. Die in der Verfassung vorgesehene Regelung des Volks– und Berufsschulwesens sowie der Lehrerbildung unterbleibt ebenso wie die Verabschiedung eines Reichsschulgesetzes.

 

1938 Reichsschulpflichtgesetz und Aufhebung der rechtlichen Anerkennung des Elternrechts in der Schule

 

1946 Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule in der Sowjetischen Besatzungszone

 

1948 Ständige Konferenz der Kultusminister zur Koordination der Entwicklung des Schulwesens in den Ländern errichtet.

 

1949 Grundgesetz

 

In der Bundesrepublik Deutschland gehört das Schulwesen aufgrund der Kulturautonomie der Länder in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder, die jeweils eigene Schulgesetz schufen.

Das Grundgesetz enthält lediglich in Art. 7 und Art. 141 einige grundlegende Regelungen des Schulrechts. Eine Rahmengesetzgebung des Bundes, wie sie in der Weimarer Verfassung vorgesehen war, gibt es im Grundgesetz nicht.

Von großer Bedeutung für die Entwicklung des Schulrechts in der Bundesrepublik Deutschland war die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Mitte der siebziger Jahre, mit der die Verrechtlichung des Schulwesens eingeleitet wurde (Wesentlichkeitslehre, s. u.).

1965 In der DDR wurde mit dem Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungswesen ein zentralistisch geführtes Bildungswesen geschaffen.

 

1991 Mit der Wiedervereinigung wurden gemäß Art. 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die erst kurz zuvor durch das Ländereinführungsgesetz der DDR vom 22. Juni 1990, durch das der strenge Zentralismus der DDR beendet wurde, errichtet worden, Länder der Bundesrepublik Deutschland, die eigene Schulgesetze verabschiedeten.

Thomas Böhm

Literatur

Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte in sechs Bänden, jeweils mit unterschiedlichen Herausgebern, z.B. Band I: 15. bis 17. Jahrhundert, herausgegeben von Notker Hammerstein, München 1996 bis Bd. VI/1 und VI/2: 1945 bis zur Gegenwart, herausgegeben von Christoph Führ und Carl-Ludwig Furck, München 1991 und 1997.

Gert Geißler: Schulgeschichte in Deutschland. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Zweite Auflage, Frankfurt am Main 2014

Georg-Christoph von Unruh: Der Bildungsrechtliche Gehalt des preußischen allgemeinen Landrechts von 1794 mit seinen geistigen und pragmatischen Grundlagen, In: Recht der Jugend und des Bildungswesens 1995, S. 42 ff.

Ernst Rudolf Huber: deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. 8 Bände, teilweise zweite oder dritte Auflage, Stuttgart 1960 bis 1995

Hans – Georg Herrlitz u.a.: Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart. Eine Einführung. Fünfte Auflage Weinheim und München 2009

Gerhard Kluchert: Umbruch, Aufbruch, Abbruch. Schulrecht und Schulreform in der Weimarer Republik – eine Skizze. Techt der Jugend und des Bildungswesens 2012, S. 443ff.

Gerhard Kluchert: Schule der Einheit? – Die Einführung der für alle gemeinsamen Grundschule in der Weimarer Republik, Recht der Jugend und des Bildungswesens 2007, S. 306ff.

Wolfgang Keim: Erziehung unter der NS–Diktatur, Darmstadt 2011

Klaus–Peter Horn/Jörg-W. Link (Hrsg.), Erziehungsverhältnisse im Nationalsozialismus. Totaler Anspruch und Erziehungswirklichkeit, Bad Heilbrunn 2011

Grundlegend zur Rechtstheorie: Jan Schröder, Rechtswissenschaft in Diktaturen. Die juristische Methodenlehre im NS-Staat und in der DDR München 2016

Hans Döbert: Das Bildungswesen der DDR in Stichworten. Inhaltliche und administrative Sachverhalte und ihre Rechtsgrundlagen, Neuwied 1995

Gert Geißler/Ulrich Wiegmann: Pädagogik und Herrschaft in der DDR. Die parteilichen, geheimdienstlichen und vormilitärischen Erziehungsverhältnisse, Frankfurt am Main 1996

Gert Geißler: Schule und Erziehung in der DDR, Tübingen 2015

Oskar Anweiler/Hans–Jürgen Fuchs/Martina Dorner/Eberhard Petermann (Hrsg.): Bildungspolitik in Deutschland. Ein historisch-vergleichender Quellenband, Bonn 1992

Hans–Werner Fuchs/Lutz R. Reuter (Hrsg.): Bildungspolitik seit der Wende. Dokumente zum Umbau des ostdeutschen Bildungssystems (1989 bis 1994), Opladen 1995

Wesentlichkeitslehre

Bis zum Beginn der siebziger Jahre gab es nur eine vergleichsweise geringe Zahl an rechtlichen Vorgaben für die Schulen, von denen wiederum nur wenige Gesetzesform hatten. In der Regel wurden Vorgaben als Verwaltungsvorschriften erlassen. Das galt auch für weitreichende Entscheidungen wie die Einführung neuer Fächer, die Mitwirkung der Eltern und Schüler sowie Schulversuche.

Diese Handlungsbefugnis durch einfache behördeninterne Weisungen wurde rechtstheoretisch durch die Rechtsfigur des besonderen Gewaltverhältnisses ermöglicht, der folgende Überlegung zu Grunde lag: Alle Bürger stehen zum Staat in einem allgemeinen Gewaltverhältnis. Sie sind den für alle geltenden Gesetzen unterworfen. In ihre Rechte darf der Staat nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes nur aufgrund eines Gesetzes eingreifen. Gegen ein in Rechte eingreifendes Gesetz können Bürger vor Gericht klagen und sich dabei auch auf ihre Grundrechte berufen.

Von diesem allgemeinen Gewaltverhältnis zum Staat, dem alle Bürger unterworfen sind, wurden besondere Gewaltverhältnisse unterschieden, bei denen eine besonders enge Beziehung zwischen dem Staat und bestimmten Bürgern besteht. Wer beispielsweise Beamter oder Soldat wird, tritt freiwillig in ein besonders enges Verhältnis zum Staat und muss daher besondere Einschränkungen seiner Rechte hinnehmen. Für Schüler galt, dass sie zwangsweise in ein besonders enges Verhältnis zum Staat traten, und daher ebenfalls im Interesse des Funktionierens der Schule auf einen Teil ihrer Rechte verzichten mussten. Der Staat benötigte nach dieser Auffassung für Eingriffe in Rechte der Schüler in der Regel keine gesetzliche Grundlage, sondern konnte durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften auch weitreichende Regelungen treffen.

Seit dem Anfang der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts hat das Bundesverfassungsgericht durch Urteile beispielsweise zur hessischen Förderstufe (BVerfGE 34,100 65,181), zur Einführung der Sexualerziehung an Schulen (BVerfGE 47,46) und der Reform der gymnasialen Oberstufe (BVerfGE 45,4 100) die Rechtsfigur des besonderen Gewaltverhältnisses durch die Wesentlichkeitslehre abgelöst.

Das Bundesverfassungsgericht ist davon ausgegangen, dass der rechtstaatliche Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, nachdem nur auf der Grundlage eines Gesetzes in Rechte der Bürger eingegriffen werden darf, auch im Schulverhältnis gilt. In seiner weiteren Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzesvorbehalt nicht auf Eingriffshandlungen beschränkt, sondern unter Berufung auf das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) noch erweitert und festgestellt, dass alle wesentlichen Angelegenheiten des Schulwesens vom Gesetzgeber geregelt werden müssen. Als wesentlich werden dabei alle Angelegenheiten angesehen, die Grundrechte der Eltern und Schüler betreffen oder von wesentlichem Interesse für die Gemeinschaft sind.

Dabei ist in jedem Einzelfall zusätzlich zu entscheiden, ob das Parlament eine möglichst umfassende Regelung treffen muss oder ob die Ermächtigung der Exekutive in einem formellen Gesetz zum Erlass einer Rechtsverordnung ausreicht.

Diese Wesentlichkeitslehre führte zu zahlreichen gesetzlichen Regelungen (Vergesetzlichung), zur Bürokratisierung (Zunahme von Verwaltungsvorschriften und Vorgaben der Schulverwaltung) und zur Justizialisierung (Zunahme von Gerichtsverfahren und gerichtlichen Vorgaben).

Thomas Böhm

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